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Voneinander Lernen – Damit endlich ALLES besser wird!

>Lebenslanges Lernen<, das ist toll und wir sollen es alle tun. Das sagen zumindest jene, die sich allzu gut eingerichtet haben. Das ist das Gebrabbel, dass heute wie ein monotones Summen den >stummen Zwang der Verhältnisse< begleitet. Und wir tun es: wir qualifizieren uns weiter, bilden uns fort, für bessere Chancen, ein wenig mehr Geld im Monat oder weil wir die Arbeit, die wir leisten wirklich interessant oder gar erfüllend finden – zumindest unter den Bedingungen der Warengesellschaft und da stecken wir erstmal drin. Kommuneleben oder Kollektivarbeit hin oder her.

Lernen für Wachstum und Verwertung

Das lebenslange Lernen soll das Wachstum ankurbeln und ist deshalb gleich auf zwei Ebenen gut für uns, auf der persönlichen (was dann >Selbstoptimierung< genannt wird) und auf der gesellschaftlichen (wo es zu >Wohlstand< führt). Sagen zumindest jene, die es immer noch nicht verstanden haben (ganz im Gegensatz zu uns). Mit der geneigten Leser*in sind wir wahrscheinlich einer Meinung, dass so nicht alles besser wird. Allenfalls für Wenige und das wird – wie bei den meisten Spielen – für diejenigen, die nur zuschauen dürfen, schnell langweilig.

Es wird die geneigte Leser*in wenig überraschen, dass wir denken, dass Kommune vielleicht einen relevanteren Beitrag zum guten Leben liefern kann, als dass, was – nennen wir sie mal – >die Anderen< sagen. Ob wir im Kanon der sozialen Bewegungen die Formen ändern können, in denen Gesellschaft gebacken wird, muss sich in unserer gemeinsamen Praxis zeigen. Bis dahin und in jedem Fall ist ein zentraler Zweck des kommunitären Tuns die gegenseitige (Selbst)Hilfe, nicht zuletzt weil wir den Verhältnissen nicht entfliehen können.

Lernen spielt dabei eine nicht unwesentliche Rolle. Es ist ein Mittel uns von der Konditionierung – die uns allen Ernstes als Lernen verkauft wurde – hin zu einem Denkenden Menschen zu befreien und im gemeinsamen Austausch Wege zu finden, sich den alltäglichen Zumutungen zu widersetzen.

Besuch aus der Acorn Community

Vergangene Woche bekamen wir Gelegenheit zu einem spannenden Austausch. Paul, ein Kommunarde der Acorn Community war zu Besuch in der Kommune Niederkaufungen und bei uns. Die Kommune liegt in Virgina, USA und ist assoziiert in der Organisation of Egalitarion Communities (OEC), vergleichbar mit dem KommuJa-Netzwerk. Paul berichtete von den Strukturen und aus dem Alltag seiner 30-köpfigen Kommune und auch über die, wenige Kilometer entfernte und ebenfalls in der OEC organisierte 100-köpfige Twin Oaks Community.

In den anregenden Gesprächen, die wir auf der Baustelle begannen, beim Abendessen weiterführten und die bei einer Montag-Abend-Veranstaltung in der KNK endeten entdeckten wir überraschende Parallelen zwischen den beiden Communities aus Virginia und den beiden Kaufunger Kommunen. Das betraf sowohl das Binnen-Verhältnis zwischen den Kommunen, angefangen damit, dass Twin Oaks (*1967) und die KNK (*1986) beide die Rolle der älteren Schwester einnehmen, als auch in jeweiligen Unterschieden zwischen den Geschwistern. Neben den Ähnlichkeiten gab es selbstverständlich auch Unterschiede. So kollektiviert die Acorn Community weder Schulden noch Vermögen und auch die Alltagsökonomie („income sharing“) ist anders gestaltet als in Kaufungen. Es gibt eine dezidierte 42-Stunden-Woche, die jedoch nicht kontrolliert wird, und neben einer gemeinsamen Kasse aus der die kommunitären Ausgaben bezahlt werden und alle Kommunard*innen Geld entnehmen können gibt es ein Taschengeld für jede* und die Möglichkeit durch Lohnarbeit zusätzliches individuelles Geld verdienen zu können. Der, um Reproduktion, Kinderbetreuung und Politik, erweiterte Arbeitsbegriff ist eine Gemeinsamkeit. Paul schien angetan vom Modell der Vermögensökonomie und sagte, er wolle es in die Diskussionen der OEC einbringen. Auch berichteten wir ihm von unserem Sozialplenum und er uns über den „Clearness-Process“ ein Modell zur Beziehungsklärung, was auch bei uns auf Interesse stieß.

Bei Acorn und Twin Oaks handelt es sich um tatsächliche Landkommunen, was sie von den Kaufunger Kommunen unterscheidet. Der gemeinsame Arbeitsbereich und die Haupteinnahmequelle der Acorn Community ist die Vermehrung ökologischen Saatguts und der Erhalt alter Sorten. Den Kampf gegen genetisch manipuliertes Saatgut scheinen die amerikanischen Aktivist*innen jedoch bereits verloren zu haben. Die Berichte über den gemeinsamen Arbeitsbereich als wichtigen Bezugspunkt der Gruppe haben auch auf dem Lossehof Diskussionen um eine Neuausrichtung hinsichtlich gemeinsamer Ziele angeregt.

Es ist wohl kaum möglich hier den gesamten Inhalt der gemeinsamen Gespräche zu beschreiben. Neben den Informationen aus dem Austausch hat die Begegnung mit Paul Mut gemacht: Auf der anderen Seite der Welt ist eine Bewegung mit gleichen Zielen unabhänigig aktiv. Oder sind wir eine Bewegung, deren regionale Teile zuvor noch nichts von einander wussten?

Never work alone!

Eine weitere Geschichte zum Thema >voneinander lernen< begann ebenfalls mit einer Art Austausch. Im Winter verbrachte ein Lossehöfer Kommunarde einige Monate in Bremen und Bremerhafen um eine Fortbildung zu absolvieren. Einige Zeit wohnte er in der Stadtkommune Alla Hopp, die ebenfalls mit dem KommuJa-Netzwerk assoziiert ist. Als diese Woche auf dem Plenum einige Kommunard*innen ihre Arbeitssituationen vor- und zur Diskussion stellten, wurde deutlich, dass es einen weiteren Raum braucht, in welchem dieses Thema Platz findet. Angeregt von der Praxis aus Bremen wurde die Gruppe >never work alone!< ins Leben gerufen, in der sich nun über Arbeit und ihren Rattenschwanz ausgetauscht, Strategien entwickelt und von einander gelernt werden kann, damit vielleicht endlich alles ein Stückchen besser wird.

PS.